Gedenkstättenpädagogik
Wozu Gedenkstätten als Lernort?
Ehemalige Konzentrationslager (als Gedenkstätten) sind als Lernorte und zur Sinnstiftung für die politische Kultur des demokratischen Staates notwendig. Eine stärkere Einbindung der Gedenkstätten in die öffentliche Erinnerungskultur ist Voraussetzung, um ein Erstarren der Gedenkstätte als Kulturort zu vermeiden und einen Ort des Dialogs entstehen zu lassen. Die Gedenkstättenpädagogik steht somit vor eine Aufgabe im doppelten Sinne, nämlich der Historisierung der NS-Vergangenheit (durch natürliches Fortschreiten der Zeit) durch überlegte Entwicklungen neuer Repräsentations- und Vermittlungsformen zuvorzukommen, aber sie auch im selben Zuge zu unterlaufen, insofern der moralisch-ethische Appell, der jeder kritischen Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit innewohnt, nicht historisiert werden darf. Eine Möglichkeit ist die Schaffung transparenter und diskursiver Orte der Dokumentation, die aber gleichzeitig nicht vergessen machen, dass sie zugleich Leidensorte sowie Friedhöfe sind. Die lange Zeit angewandte unreflektierte Form der Betroffenheitspädagogik bedurfte bzw. bedarf einer Veränderung, da hierbei die Gefahr der "Faszination des Grauens" nicht außer Acht gelassen werden darf. Beim ersten Besuch einer Gedenkstätte ist eine natürliche Reaktion der Jugendlichen die "Betroffenheit", die unbedingt eine Nachbearbeitung des Erfahrenen fordert.
Die Ziele der Gedenkstättenpädagogik
Gedenkstätten haben im Allgemeinen den Anspruch, verordnetes Gedächtnis zu repräsentieren. Das Hauptziel sollte kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ohne moralische Indoktrination sein. Die Ziele der Gedenkstättenpädagogik liegen in der Vermittlung von historischen Informationen und Anregungen zur Auseinandersetzung mit der Geschichte, Weckung der Empathie mit den Opfern, Reflexion der Gegenwart, Sensibilisierung auf Gefährdung der Menschrechte, Förderung der demokratischen Einstellungen und Kompetenzen und in der Anregung zur Selbstreflexion. Bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte "negativer Orte" braucht es Welthorizonte, die mit den aktuellen Lebenswelten der Jugendlichen korrespondieren können und gegenwärtige Wichtigkeit besitzen.
Herausforderungen der Jugendarbeit an Gedenkstätten
Die Jugendarbeit an Gedenkstätten steht seit Jahren vor völlig neuen Herausforderungen. Mittlerweile sind es die Jugendlichen der dritten Nachkriegsgeneration, die im Rahmen von schulischen und betrieblichen Bildungsmaßnahmen das ehemalige KZ Mauthausen besuchen. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zu den NS-Verbrechen wachsen naturgemäß auch die Schwierigkeiten der Jugendlichen, Bezüge zur eigenen Gegenwart herzustellen und damit konkrete Erkenntnisse für den Alltag abzuleiten. Hinzu kommt die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen, die nach Abschluss der Pflichtschule direkt ins Berufsleben eintreten, migrantischen Hintergrund haben und somit über keinerlei Narrative im familiären Umfeld verfügen, die Interesse wecken und die "Aneignung" des Themas erleichtern könnten.
Besuch der KZ-Gedenkstätte
Gedenkstätten können weder Wissensfundamente liefern, noch Geschichtsunterricht und politische Bildung an der Schule ersetzen. Sie können beides schwerpunktmäßig ergänzen. Notwendig hierfür ist die Vorbereitung auf den Besuch der Gedenkstätte und eine damit verbunden intensive Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit. Ausgangspunkt und Schwerpunkt des Gedenkstättenbesuchs stellt die Geschichte der KZ-Gedenkstätte dar. Auf historische Zusammenhänge sollte in der Vor- und Nachbereitung hingewiesen werden. Falsche oder lückenhafte inhaltliche Vorbereitung führt zu Desinteresse und Ablehnung bei Jugendlichen. Die Nachbereitung des Gedenkstättenbesuchs ist notwendig, um Jugendliche mit traumatisierenden Erfahrungen nicht alleine zu lassen, den Gedenkstättenbesuch zu reflektieren, um aktuelle Themen und/oder Workshops, die Zivilcourage trainieren, anzusprechen oder das Bewusstsein gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu schärfen. Die Reflexion bietet die Möglichkeit, Missverständnisse und Fragen zu klären und dadurch neue Themenkreise oder auch Zugänge zu erschaffen. Anzuraten ist eine Kombination aus Vorbereitung, Besuch der KZ-Gedenkstätte und dessen Nachbereitung.