KZ-Außenlager Hirtenberg

Gründung des Konzentrationslagers

Das KZ-Außenlager Hirtenberg wurde am 28. September 1944 eröffnet. An diesem Tag kam der erste Transport mit KZ-Häftlingen an. Die Patronenfabrik in Hirtenberg war bereits vor dem „Anschluss“ Ziel der nationalsozialistischen Industriepolitik, da sie einer der größten Herstellerbetriebe von Infanteriemunition war. Nachdem der Generaldirektor Fritz Mandl, der nach den Nürnberger Rassegesetzen als Jude galt, im März 1938 emigriert war, wurde die Patronenfabrik von der „Wilhelm-Gustloff-Stiftung“ übernommen. Bevor das KZ-Außenlager Hirtenberg eröffnete, wurden seit Beginn des 2. Weltkriegs einheimische ArbeiterInnen durch ZwangsarbeiterInnen ersetzt.

Lokalisierung

Das sogenannte „Weinberglager“, ein großes Barackenlager, bestand für die ZwangsarbeiterInnen bereits am Ortseingang Hirtenberg, östlich des Friedhofes. Das KZ-Hirtenberg wurde innerhalb dieses ZwangsarbeiterInnenlagers aus eigenen Baracken formiert, die mit zusätzlichem Stacheldrahtzaun umzäunt waren. Unmittelbar an den Friedhof angrenzend – also im westlichen Teil des „Weinberglagers“ – befand sich das Kriegsgefangenenlager, in der Mitte das ZwangsarbeiterInnenlager und östlich das KZ-Außenlager. Die Baracken des KZ dürften neu errichtet worden sein und waren mit zweistöckigen Bettgestellen möbliert.

Informationen über die Häftlinge

Der erste Transport mit 391 Frauen aus dem KZ-Auschwitz traf am 28. September 1944 im KZ-Außenlager Hirtenberg ein. Der zweite am 27. November 1944 mit elf weiblichen Häftlingen, davon wurden drei Frauen aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und acht aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück überstellt. Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zufolge ist es durchaus möglich, dass weibliche Häftlinge, die bei den „Evakuierungstransporten“ aus den KZ Groß-Rosen und Auschwitz im Jänner 1945 ins KZ Mauthausen gekommen sind, ebenfalls im KZ-Außenlager Hirtenberg interniert waren. Von diesen Frauen waren 194 russische Schutzhäftlinge, die somit die größte Häftlingsgruppe bildeten. 101 Italienerinnen, die meisten von ihnen aus dem slowenischen Grenzgebiet, das damals von Italien besetzt war, bildeten die nächstgrößere Häftlingskategorie. Zudem kamen 95 Frauen aus Polen, fünf aus Jugoslawien, drei aus Ungarn, zwei aus Kroatien und je eine aus Deutschland und der Slowakei ins KZ-Außenlager Hirtenberg. Die Jüngsten unter ihnen waren gerade 16 Jahre alt geworden, die älteste Frau war eine 58-jährige Polin. Mit einem Altersdurchschnitt von etwas über 23 Jahren waren die Häftlinge relativ jung.

Zwangsarbeit

Das KZ-Außenlager Hirtenberg war ein Lager für die Rüstungsindustrie. Die Häftlinge wurden über einen Weg unmittelbar hinter dem Lager zu den Produktionsstätten am Lindenberg getrieben. Dieser Weg war die kürzeste Verbindung und lag abseits der Hauptstraße durch den Ort. Dadurch konnten die Häftlinge mehr oder weniger unbemerkt von der Lokalbevölkerung vom Lager zur Zwangsarbeit geführt werden. Die meisten Inhaftierten berichteten von der Zündhütchenfertigung oder vom Einfetten von Patronenhülsen mit Spiritus vor dem Füllen mit Treibladungen. Das Werk wurde im Zwei-Schicht-Betrieb gefahren und während der Arbeit herrschte strengstes Sprechverbot. Arbeitsunfälle mit explodierenden Maschinen waren laut Interviews mit Überlebenden keine Seltenheit.

Bewachung

Die weiblichen Häftlinge wurden von 25 SS-Männern bewacht und zu ihren Arbeitsstätten gebracht. Der Lagerkommandant war SS-Hauptsturmführer Karl Schröder, der in diesem abgegrenzten Areal inmitten des ZwangsarbeiterInnenlagers mit den anderen SS-Männern für die äußere Bewachung zuständig war. Für den inneren Bereich des Lagers waren SS-Aufseherinnen zuständig, die im Regelfall aus der unmittelbaren Region rekrutiert wurden. Oberaufseherin war angeblich Edda Scheer.

Schließung

Das KZ-Außenlager Hirtenberg wurde am 2. April 1945 vor der heranrückenden Roten Armee evakuiert. Die Rote Armee hatte am 1. April 1945 Wiener Neustadt umgangen und begonnen, direkt die Westumfassung Wiens einzunehmen. Wie überall im Dritten Reich hatte das Herannahen der russischen Truppen riesige Flüchtlingsbewegungen zur Folge. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Häftlinge des KZ-Außenlagers Hirtenberg von ihren SS-Bewacherinnen und -Bewachern spätestens zu dieser Zeit gezwungen wurden, das Lager aufzulösen. Am 3. April rückten die ersten Panzerstoßtrupps der Roten Armee in Hirtenberg ein und wurden von den rundum liegenden Höhen unter Beschuss genommen. Am 6. April erreichte die Rote Armee Hirtenberg, die 12. SS-Panzerdivision zog sich langsam durch das Triestingtal zurück. Die Häftlinge verließen nach den Erinnerungen von Überlebenden am Ostermontag (2. April 1945) Hirtenberg. 342 weibliche Häftlinge kamen um den 18./19. April im KZ Mauthausen an. Die Wegstrecke zwischen Hirtenberg und Mauthausen beträgt ungefähr 170 Kilometer. Eine Vielzahl von Gründen mag dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Marschkolonne nur sehr langsam vorankam. Die SS nahm sicher keine Rücksicht auf den schlechten körperlichen Zustand der Frauen, in der Regel wurden die Häftlinge brutal weitergetrieben oder, wenn sie nicht mehr weiterkonnten, hingerichtet. Sieben sowjetische Frauen wurden „auf der Flucht erschossen“. 48 Frauen wagten eine Massenflucht. Über ihr Schicksal ist nichts bekannt.

Gedenken und Erinnern

Eine im KZ-Außenlager verstorbene Frau ist auf dem Friedhof in Hirtenberg bestattet. Eine lokale Initiative des MKÖ beim ehemaligen KZ-Außenlager Hirtenberg befindet sich im Aufbau. Termine für Gedenkveranstaltungen sind künftig im Programm der Gedenk- und Befreiungsfeiern ersichtlich.

Fotos (Aktuell, Historisch, Topografie und Luftaufnahmen)

Friedhof Hirtenberg
Überreste des ehem. KZ-Außenlager Hirtenberg
Überreste des ehem. Werk am Lindenberg
ehem. Lagergelände
Gelände des ehem. Weinberglagers
ehem. Baracken-Skizze-412namen.at- © MKÖ/Andraschek
Faksimile: Veränderungsmeldung
Überblick 1:10.000 mit GPS-Daten; 1: ehem. Lagergelände 2: Friedhof 3: Werk am Lindenberg 4: Talwerk
Überblick 1:2.000 mit GPS-Daten; 1: ehem. Lagergelände 2: Friedhof
Katasterplan 1:5.000, Lindenberg
Katasterplan 1:1.000; ehem. Lagergelände großteils Grundstück 1296/13
Luftbild der USAF vom 21.10.1994 im markierten Ausschnitt ist ganz links das Außenlager zu erkennen