Konzentrationslager Gusen I

Gründung des Konzentrationslagers

Bereits wenige Tage nach der im März 1938 erfolgten Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen reisten der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, und SS‐Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Oswald Pohl, nach Mauthausen und Gusen, um die dort bestehenden Steinbrüche auf ihre Eignung zur Errichtung der beiden Konzentrationslager zu überprüfen. Am 29. April 1938 wurde die DEST (Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH) gegründet, die für den Markt St. Georgen noch von großer Bedeutung sein sollte. Auf Basis dieser Firma wurden viele Konzentrationslager im gesamten Reichsgebiet gegründet. Die Werkgruppe in St. Georgen war eine der wichtigsten der DEST. Am 8. August kamen die ersten KZ-Häftlinge samt Bewachern nach Mauthausen, um dort die erste Infrastruktur aufzubauen. Spätestens mit Dezember 1939 begann der Aufbau des Lagers Gusen I. Zu Beginn marschierten die Häftlinge täglich von Mauthausen nach Gusen und wieder zurück. Ab März bildeten Polen, Deutsche und Österreicher den ersten Häftlingstrupp, der fix im KZ-Außenlager Gusen I interniert war (ca. 800 Mann). Zu Jahresbeginn 1941 betrug der Häftlingsstand etwa 4.000.

Lokalisierung

Das Konzentrationslager Gusen I wurde sehr zentral gebaut, d.h. direkt an der Hauptverkehrsroute zwischen Linz und Wien, eingebettet zwischen den Ortschaften St. Georgen und Langenstein, und in unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager Mauthausen. Die Entfernung betrug etwa fünf Kilometer. Auch die damalige Gauhauptstadt Linz war nur ca. 15 Kilometer entfernt. Zur Donau war es ebenfalls nicht weit, außerdem gab es in St. Georgen auch einen Gleisanschluss an das Netz der Deutschen Reichsbahn.

Informationen über die Häftlinge

Im April 1940 wurden die ersten KZ-Häftlinge in Gusen untergebracht. Der Höchststand der inhaftierten KZ-Häftlinge betrug in etwa 12.000. Insgesamt waren ca. 70.000 KZ-Häftlinge in Gusen I, II und III gefangen, rund die Hälfte von ihnen wurde ermordet. Bereits Ende 1941 übertraf die KZ-Häftlingsanzahl die des KZ Mauthausen.

Die meisten KZ-Häftlinge waren Männer. Zu weiblichen Gefangenen in Gusen gibt es kaum gesichertes Material. Offiziell belegt ist einzig das Bordell in Gusen, wo Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbrück Zwangsarbeit leisten mussten. Gusener KZ-Häftlinge kamen aus der ganzen Welt, unter anderem waren auch Häftlinge aus China interniert. Den Großteil der Häftlingsgruppen bildeten aber Polen, Spanier, Franzosen und Russen. Der Großteil der Inhaftierten musste einen roten (politische Häftlinge) oder einen schwarzen (Asoziale, Zigeuner usw.) „Winkel“ tragen – ein Stoff-Abzeichen, das den Grund ihrer Gefangenschaft erkennen ließ.

Zwangsarbeit

Wurde zu Beginn hauptsächlich am Aufbau des KZ-Lagers und in den Steinbrüchen Zwangsarbeit geleistet, begann man ab 1942 vermehrt mit dem Einsatz von KZ-Häftlingen in der Rüstungsindustrie. Ab 1943 wurden die Steinmetzbaracken in Gusen zu einem Produktionszentrum der Steyr‐Werke umfunktioniert. Ende 1943 mussten die KZ-Häftlinge auch Stollen zur Verlagerung der Produktion bauen. Für die Firma Messerschmitt begann man außerdem mit dem Bau von ganzen Rümpfen für das Jagdflugzeug Me 109. Auch das Bordell, wo weibliche Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten, ist hier zu erwähnen.

Bewachung

Das Konzentrationslager Gusen I unterstand dem KZ Mauthausen und somit auch dessen Kommandanten Franz Ziereis. Erster Lagerleiter im KZ Gusen war Karl Chmielewski, ein berüchtigter Polenhasser, der später noch selber als Häftling in einem KZ landen sollte. Der zweite Lagerführer war Fritz Seidler, der aus dem KZ Auschwitz kam. Auch die meisten anderen Bewacher wurden von der SS gestellt und waren Deutsche. Vom Mai 1940 bis Jänner 1944 wurden die Häftlinge in den Zweiglagern in Gusen unabhängig vom KZ Mauthausen registriert.

Befreiung

In der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 übertrug die SS die Bewachung der Wiener Feuerschutzpolizei. Das KZ Gusen I wurde am 5. Mai befreit, wobei dies nur eine erste Patrouille von US‐Soldaten war. Die ersten „richtigen“ US‐Truppen kamen erst am 7. Mai. Zwischen diesen beiden Tagen herrschten Chaos und Lynchjustiz in Gusen. Bei der Befreiung der Lager Gusen I, II und III waren ca. 25.000 Häftlinge im Lager.

Gedenken und Erinnern

In den 1950er Jahren wurden bereits große Teile des Lagers entfernt. Auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Häftlingslagers entstand eine Wohnsiedlung. 1961 wurde von KZ-Überlebenden selbst rund um den noch erhaltenen Krematoriumsofen des KZ Gusen I das „Memorial de Gusen“ errichtet. Die Initiative Gedenkdienstkomitee Gusen arbeitet seit 1984 für ein „Niemals wieder“ und wird maßgeblich von überlebenden Häftlingen der KZ-Außenlager Gusen, dem Mauthausen Komitee Österreich, dem Comité International de Mauthausen und den politischen Gemeinden St. Georgen/Gusen und Langenstein unterstützt. 2004 eröffnete im Besucherzentrum eine Dauerausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers. Vor dem Stollen befinden sich Informationstafeln über die Konzentrationslager in Gusen und den Stollenausbau. Die jährliche Befreiungsfeier der KZ Gusen I, II und III wird vom Gedenkdienstkomitee Gusen in Kooperation mit dem Mauthausen Komitee Österreich veranstaltet. Der Termin ist im Programm der Gedenk- und Befreiungsfeiern zu finden.

Fotos (Aktuell, Historisch, Topografie und Luftaufnahmen)

Krematoriumsofen
Gedenkdienstkomitee Gusen-Vorstand-Copyright:Gammer
Dusan Stefancic mit Herrn Bundespräsidenten, aufgen. anlässl. der Befr.-Feier 2017/Copyright:Gamme
ehem. SS-Baracken
ehem. Jourhaus
3D-Modell des KZ-Gusen
Überlebender am 12. Mai 1945
Wachtürme und Granitmauern
Skizze des KZ Gusen I von Lodovico Barbiano di Belgiojoso
Lageraufbau, 1940
Einkleidung von Neuankömmlingen
Lagerbordell (vom Appellplatz aus gesehen), 1942
Infrastrukturbaracke der SS, 1942
Befreite Häftlinge am 12.Mai 1945
Jourhaus
Jugendliche in Gusen
ehemaliges Lager, Juni 1945
Häftlings‐Personal‐Karte Jerzy Kaźmirkiewicz
Zeichnung 2 von Lodovico Barbiano di Belgiojoso
Zeichnung 1 von Lodovico Barbiano di Belgiojoso
Überlebende vor dem sogenannten „Bahnhof“ in Gusen I, Mai 1945
Überlebende vor dem sogenannten „Bahnhof“ in Gusen I, Mai 1945
Einvernahme KZ Mauthausen Kommandant Franz Ziereis in Gusen I, Mai 1945
„La Carrière“ von Jean Bernard‐Aldebert
„Bahnhof“ von Jean Bernard‐Aldebert
Überblick 1:5.000 mit GPS-Daten; 1: ehem. Krematorium/Memorial Gusen 2: ehem. Jourhaus
Überblick 1:10.000 mit GPS-Daten; 1: Stolleneingänge "bergkristall" 2: ehem. Lagergelände Gusen II 3: ehem. Lagergelände Gusen I
Plan: Gusen I&II 1945
Katasterplan 1:1.000, ehem. Lagergelände
Katasterplan 1:5.000, ehem. Lagergelände
Überblick 1:10.000 mit GPS-Daten; 1: Stolleneingänge "bergkristall" 2: ehem. Lagergelände Gusen II 3: ehem. Lagergelände Gusen I
Überblick 1:1.000 mit GPS-Daten; 1: ehem. Krematorium/Memorial Gusen 2: ehem. Jourhaus
Plan: Gusen I+II
Luftbild: 1943-1945
"Ich werd' den Hitler überleben" - Aba Lewit (KZ-Überlebender) ©W24